Das Jahr 1944 zeigte eine grundlegende Veränderung
des Luftkrieges.
Im Januar 44 waren in Deutschland, Frankreich,
Südnorwegen und Holland 1650 Jäger stationiert, gegen 365 im
Mittelmeerraum und 425 in der Sowjetunion.
Die Luftwaffe war endgültig nicht mehr
in der Lage, den Anforderungen dieses Mehrfrontenkrieges gerecht zu werden.
Besonders die fast täglichen Einflüge der US- 4 mot Verbände
bereiteten der Luftwaffenführung Probleme. Diesen, oft mit mehr als
700 schw. Bombern und ab Feb. 44 unter massiven Geleitschutz stehenden,
Angriffen waren die Jagdgruppen der Reichsverteidigung
bald nicht mehr gewachsen.
Focke Wulf Fw 190 A-7,
geflogen von Olt. Krebs, TO der I./ JG 1,
Dortmund, Januar 44.
Auf der Motorabdeckung die geflügelte
"1", das Geschwaderwappen.
Auch wenn die Abschusserfolge der Tagjäger
hoch waren (die 8. US Luftflotte verliert im April und
Mai 44 zusammen 681 Bomber), so war in diesen
Abnutzungskämpfen über dem Reichsgebiet, auf Dauer die Luftwaffe
der Verlierer.
Der aggressive US-Jagdschutz, der die Bomber
nun bis tief nach Deutschland begleiten konnte, setzte den dt. Jägern
erheblich zu.
Auf Görings Befehl, hatten die Jäger
die US-Jäger zu ignorieren, und sich auf die Bomberpulks zu konzentrieren.
Heftige Proteste der Geschwaderkommodore, sowie vom General der
Jagdflieger Adolf Galland, die Handlungsspielraum
je nach der Situation verlangten, wurden unter Androhung von Kriegsgericht
abgewiesen!
So wurde für die US-Jagdpiloten das fliegen
über dem Reich zur "sichersten Sache der Welt".
Die Verluste der Jagdgruppen stiegen rapide
an.
Die Alliierten hofften,
daß die dt. Jagdwaffe bei der Abwehr dieser Angriffe ausbluten würde,
und gingen davon aus, daß der Pilotennachwuchs durch raschen Verschleiß
und ungenügender Ausbildung infolge durch Maschinen- und Spritmangel
die Lücken nicht mehr auszufüllen vermochte.
Heute wissen wir, diese
"Rechnung" ging auf.
Man muß aber auch
wissen, daß diese "Rechnung", durch die geradezu übermenschliche
Anstrengungen der Reichsverteidigung und der Industrie beinahe nicht aufging.
Aber eben nur beinahe!
Zu Beginn des Jahres 1944 liegt die I./ JG 27
in Fels in Wagram (als "Untermieter" hatte hier auch die 7./ ZG 26 mit
ihren Bf 110 G-2 Zerstören ihr Zuhause ).
Die II. Gruppe in Wiesbaden - Erbenheim.
Die III./ und IV./ JG 27 lagen immernoch im
Südosten Europas. Aber Ende Feb. räumt die III. Gruppe nach und
nach den serbisch - bulgarischen Raum und gelangt nun nach Wien - Götzendorf.
Auch die IV./ JG 27 zieht Anfang März
vom Balkan ab und verlegt nach Ungarn.
Die I./ JG 27 in Fels am Wagram.
Im Vordergrund, die "weiße 8", eine Bf
109 G-6/R6, der 1. Staffel.
Sämtliche Maschinen tragen das grüne
Reichsverteidigungsband.
In jener Zeit bekämpfte die I./ JG 27 die
von Süden her einfliegenden Bomberverbände
der 15. US Luftflotte.
Das bedeutet fast täglich Großeinsatz.
Doch zunächst ist die II. Gruppe an den Brennpunkten der Reichsverteidigung
eingesetzt. Zusammen mit der III./ JG 3, der I./ JG 5 und einigen Zerstörergruppen
bildete man große Gefechtsverbände, die sich den jetzt durch
Langstreckenjäger geschützten Bomberströmen entgegenstellen.
Und trotz Jagddeckung können die Verbände ihren Gegnern immer
noch schwere Verluste beibringen. Ab Feb. 44 versuchten die Alliierten
daher, der dt. Jagdwaffe einen empfindlichen Schlag zu versetzen.
In der sog. "Big Week" vom 20. - 25. Feb. sind
die Zentren der Flugzeugindustrie im Reich das Ziel ihrer Bomber. Diese
schweren Angriffe auf Augsburg, Regensburg, Marienburg, Wiener Neustadt
und anderen Zielen zerstörten drei Motoren- und 23 Zellenfabriken
und brachten die Flugzeugproduktion fast zum Stillstand.
"Big Friends and Little Friends".
Zwei P-51 B der 325. Fighter Group und eine
B-17 G.
Im Jahr 1944 ein gewohnter Anblick über
dem Reich.
Der eigens eingerichtete Jägerstab unter
Otto Sauer erreichte, daß der Bau von Jägern nun absolute Priorität
hatte. So wurden im März 1 300, im April 1 500 Jäger gebaut.
Und diese Zahlen waren noch nicht der Höhepunkt. Auch war die Lage
auf dem Treibstoffsektor noch beruhigend, da die Hydrierwerke auf vollen
Touren laufen konnten. Aber dies sollte sich noch ändern.
Der 12. Mai 1944:
"An diesem Tag stießen
der Stab, die I./, III./, und IV./ JG 27 und andere Einheiten,
insgesamt 16 Jagdgruppen
und zwei Zerstörergruppen mit 470 Maschinen, auf 886 Bomber
und 980 Begleidjäger
der 8. US Luftflotte.
Das Ziel des Angriffes,
die Hydrierwerke in Thüringen.
(Der Angriff vom 12.
Mai, war der Beginn einer alliierten Offensive gegen die
dt. Treibstoffherstellung).
In den Luftkämpfen
über Mitteldeutschland, schossen die JG 27-Piloten
zwei North American P-51
Mustang und 21
Boeing B-17 Flying Fortress ab.
Eine B-17 war der 90.
Luftsieg vom Geschwaderkommodore Oberst Rödel.
Aber das Geschwader verlor
selbst ein duzend Messerschmitt.
Vier Piloten waren gefallen,
sieben verwundet.
Hptm. Franzisket, Gruppenkommandeur
der I./ JG 27, wurde ebenfalls getroffen und mußte mit schweren Verwundungen
aussteigen. In diesen Wochen war die Stelle des Gruppenkommandeurs bei
der I./ JG 27 nicht gerade vom Glück verfolgt. Am 19. Mai verlor der
Nachfolger von Franzisket, Hptm. Börngen im Luftkampf seinen rechten
Arm.
Dann kam Maj. Redlich:
"So, jetzt werde ich euch mal zeigen, wie man einen Verband an die Viermots
heranführt!", sagte er am 29. Mai, schießt einen Bomber ab und
wird dann selbst Tödlich getroffen.
Nach dem Ende der Kämpfe
am 12. Mai meldeten die dt. Verbände insgesamt 91 Abschüsse,
davon 78 Viermotorige.
Auf der Verlustseite
standen 28 Gefallene sowie 24 Verwundete. Die Einbußen an Flugzeugen
beliefen sich auf 79 Totalverluste und 22 beschädigte Maschinen."
Der Gruppenkommandeur
der I./ JG 27,
Hptm. Franzisket, in
seiner Bf 109 G-6/R6.
Fels am Wagram, Mai 44.
Konnten die abgeschossenen Flugzeuge auch schnell
ersetzt werden, so war der Verlust, der gefallenen Kommodore, Gruppenkommandeure
und Staffelkapitäne, mit ihrer oft mehrjährigen Kampferfahrung,
von den Schulen nicht mehr wettzumachen. Um die Verluste schnell zu ersetzen,
wurde das Schulungsprogramm immer mehr gerafft. Das Niveau der Jagdwaffe
sank.
Der General der Jagdflieger, Adolf Galland,
berichtete im Mai 44:
"Wir kämpfen heute
in einem Verhältnis von 1 : 7.
Das Niveau der Amerikaner
ist hervorragend.
In den letzten vier Monaten
haben die Jagdflieger mehr als 1 000 Maschinen und ihre besten Piloten
verloren.
Diese Lücken können
nicht mehr geschlossen werden.
Bei jedem Einflug verlieren
wir etwa 50 Jäger.
Wir stehen fast vor dem
Zusammenbruch der Jagdwaffe" |
Dem Anwachsen der Bedrohung, begegnete man mit
dem Herausziehen weiterer Jagdverbände aus der Front, und deren Verlegung
in die gefährdenden Gebiete.
Die verbliebenen Einheiten an den Fronten hatten
dadurch immer größere Räume, über den bedrängten
Heeresdivisionen, zu decken.
Die Monate Januar bis
zur Alliierten Landung an der Normandieküste am 06. Juni 44,
sind noch einmal ein
Höhepunkt in der Geschichte des JG 27.
Von einer Handvoll Männern
geführt, die seit Kriegsbeginn im Einsatz stehen, wie Rödel,
Schröer, Franzisket, Börngen und Düllberg, hatte das Geschwader
einen hohen Anteil an den großen Verlusten, welche die Amerikaner
im ersten Halbjahr 1944 über dem Reich hinnehmen mußten.
Aber die Reichsverteidigung
hatte ebenfalls empfindliche Verluste hinnehmen müssen, und stand
erheblich unter Druck. Die Führung, aber auch die Bevölkerung,
erwartete von ihr den effektiven Schutz der Heimat.
|